Silhouette einer Frau mit nach Oben gestreckter Faust im Gegenlicht der Sonne halb hinter Bergen, auf einer Wiese.

Weiblich, stark und christlich – Frauen und ihr Glaube

Interview mit Dorothee Sandherr-Klemp

Dorothee Sandherr-Klemp, geistliche Beirätin des Katholischen Deutschen Frauenbundes teilt in einem Interview mit Vivat! ihre Ansichten zu starken Frauen in der Kirche und der Bibel sowie über die Rolle von Frauen innerhalb der katholischen Kirche.

Vivat!: In unserer neuen Reihe stellen wir starke Frauen aus der Bibel und der Geschichte vor, die für ihren Glauben kämpften wie Maria Magdalena, Elisabeth von Thüringen oder Katharina von Siena. Welche der von uns dargestellten starken Frauen hat für Sie auch heute noch am ehesten eine Vorbildfunktion hinsichtlich der Rolle der Frau in der Kirche und wieso?

Dorothee Sandherr-Klemp: Um es mit der kleinen Therese zu sagen: »Ich wähle alles!«. Aber ernsthaft, unser historisches Gedächtnis ist hochgradig verzerrt. Jede einzelne der genannten biblischen und kirchen- und theologiegeschichtlichen Frauengestalten ist unbedingt des Gedenkens wert, ist es wert, aus dem Dunkel unseres erlernten Desinteresses, unseres Un- und Halbwissens befreit zu werden!

Abigail führt uns in die Zeit des Aufstiegs von König David. Von König David können selbst heute Kinder noch Geschichten erzählen – David und Goliath –, wem außer einigen theologischen Spezialisten fällt zu Abigail, der entscheidungsstarken Frau, der weisen Ratgeberin und Prophetin, etwas ein?

Maria von Magdala, oh, die schöne Sünderin? Oder vor allem die Zeugin der Auferstehung, die Osterbotin, die Apostolin, und »Apostolin der Apostel«, wie der Hl. Augustinus formulierte. Lydia, tatkräftige Geschäftsfrau, vor allem aber die erste uns namentlich bekannte Christin und Gemeindeleiterin auf europäischem Boden! Hildegard und die beiden Katharinen, Bernadette Soubirous … Gefährliche Erinnerungen? Vielleicht, das wohl auch.

Ich denke aber eher: von Klischees und Unwissen befreiende, belebende, bestärkende Erinnerungen, die wir alle, Frauen und Männer, so dringend brauchen, wenn Kirche Zukunft haben soll: »Gebt euch nicht mit Kleinem zufrieden – Gott erwartet Großes.« Dieser Satz Katharina von Sienas, deren feste Verwurzelung im Glauben sie zu klarem kirchlichem, politischem und sozialem Engagement führte – und deren Gedenktag am 29. April an vielen Orten als Tag der Diakonin begangen wird –,  kann uns allen Mut machen und den Weg weisen, auch heute.

Vivat!: Die katholische Kirche wird in der Regel Männer-dominiert wahr genommen und dargestellt. Zeigen diese starken Frauen nicht, dass diese Männer-Dominanz nicht die ganze Wahrheit ist?

Sandherr-Klemp: Die ganze Wahrheit … sicherlich nicht! Die Christentumsgeschichte ist auch in dieser Hinsicht reicher und vielfältiger, als wir meinen. Es gibt nicht die Tradition, sondern eine geschichtliche Fülle von Traditionen. Frauengeschichte ist auch im Christentum nicht monolithisch und nicht nur Opfergeschichte. Entdeckerfreude ist hier angesagt. Theologische Frauenforschung hat hier wichtige Pionierarbeit geleistet, hat Kirchengeschichtsschreibung verändert, jedenfalls hier und da.

Konkret denke ich an »Krypta«, ein jüngeres Werk des Münsteraner Kirchenhistorikers Hubertus Wolf. In der kundigen, mutigen Beschäftigung mit Frauenleben in der Kirchen- und Theologiegeschichte, seien es ganz einfache oder durch ihre Gaben und ihre Taten hervorragende Frauen, können wir geistlich wachsen und stärkende Solidarität erlernen und erfahren. Männer natürlich auch!

Vivat!: Wie hat sich die Rolle der Frau in der Kirche im Laufe der Zeit verändert?

Sandherr-Klemp: Wenn wir daran denken, dass gleiche Würde der Gottebenbildlichkeit für Mann und Frau zur DNA der Bibel gehört (Gen 1,27), – und die Zusage der gleichen Gottebenbildlichkeit wagt die Bibel inmitten einer stark patriarchalisch geprägten Gesellschaft – und dass diese Gotteszusage zur DNA aller biblisch geprägten Menschen gehören sollte; wenn wir an das Wort des Paulus aus dem Galaterbrief denken, dass alle eingeübten, eingefleischten hierarchischen Unterschiede, auch die zwischen Mann und Frau, aufgehoben sind in Christus; wenn wir an die Apostolin der Apostel und an die Gemeindeleiterin Lydia denken; wenn wir an vergessene Frauentraditionen der frühen Kirche denken – dann wird, vorsichtig gesagt, deutlich, dass wir keine reine Fortschrittsgeschichte erlebt haben und dass eine Orientierung an den biblischen und kirchlichen Ursprüngen auch hier heilsam wäre!

Vivat!: Jüngst sorgte Papst Franziskus vor allem in konservativen Lagern für Aufsehen, nachdem er die Fußwaschung nun auch für Frauen geöffnet hat, obwohl die Liturgie eigentlich vorsieht, dass nur Männern dieses Recht vorbehalten ist.
Wie stehen Sie dazu und was könnte es in Zukunft für die Rolle der Frau in der Kirche bedeuten?

Sandherr-Klemp: Die Fußwaschung, Sakrament der demütigen, nichts und niemanden ausschließenden Liebe, mit starren Ausschlussregeln zu versehen, sie zu einer exklusiven Sache zu machen, ist ohnehin nicht eben schlüssig. Und fraglos stößt Papst Franziskus, einfach durch seinen freien, bescheidenen, demütigen, geschwisterlichen Stil, so manches verriegelte Fenster und so manche vernagelte Türe auf.

Weiterführende Informationen

Mehr Wissenswertes über den Katholischen Deutschen Frauenbund finden sie auf der offiziellen Homepage des KDFB.

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Quellen

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